Fela Ransome Kuti and The Africa '70 with Ginger Baker, Live
Collage, 70x70cm, 2022
Gesammelte Collagen aus H.A.'s Plattensammlung
In Berlin gibt es eine wilden und etwas zerfledderten Flohmarkt gegenüber dem offiziellen im Mauerpark, dort habe ich in aus Bananenkisten einige Platten gekauft, die alle vom selben Besitzer mit Initialen H.A. stammten. H.A. benutzte die Schallplattenhüllen, um darauf zu collagieren, mit welchem Ziel kann ich nur hier nur spekulieren. Hatte die Musik auf diesen LP’s eine spezielle Bedeutung für ihn, die er durch die Collagen ausdrücken wollte? Haben die Grafiken auf den Hüllen ihn dazu inspiriert, darauf zu reagieren? Waren diese Collagen nur für ihn selber bestimmt, oder wollte er sie jemandem zeigen? Es ist ein äusserst ungewöhnliches Format: in meiner ganzen Sammlertätigkeit habe ich zwar einige selbstgestaltete Plattencover gesehen (wenn das Originalcover fehlte), doch noch nie habe ich erlebt, dass jemand existierende Cover derart exzessiv bearbeitet hat. Damit machte H.A. sich die Platten ganz zueigen: eine Wiederverkauf dieser Objekte wäre im Handel ausgeschlossen, da die Covers als beschädigt gelten. Ausser jemand wie ich interessiert sich genau dafür, für diese künstlerischen Arbeiten, die zusammen ein Konvolut bilden, das Einblicke in eine Existenz geben, die nicht mehr ist. Ich war jedenfalls glücklich über den Fund dieser Objekte, und habe sie mir ohne schlechtes Gewissen angeeignet, nicht wegen der Musik, sondern als (un)fertige Kunstwerke, die darauf warteten, als ganze Serie oder einzeln ausgestellt zu werden. Kein Readymade im Duchamp’schen Sinn, eher Objét trouvé im Geist des Nouveau Realisme, was auch zu den Platten passt, die alle aus den späten Sechziger, den Siebziger bis frühe Achtziger Jahre stammen. Die Collagen dagegen wurden alle erst zwischen 2007 und 2012 gefertigt, auf Platten die H.A. wahrscheinlich schon lange besessen hatte, denn sie sind alle gut genutzt.
Insgesamt habe ich 17 Schallplatten aus dem Fundus von H.A. geborgen, vielleicht ist das ja nur die Spitze des Eisbergs. Übrigens, “Fela Kuti and Africa’70 with Ginger Baker Live!” befindet sich auch in der eingangs erwähnten Sammlung "Live/Dead", da beide, Fela Kuti und Ginger Baker, nicht mehr unter den Lebenden weilen. Auf dem Innenlabel einer der letzten Schallplatten, die ich kaufte, Crown of Creation von Jefferson Airplane, fand ich H.A.’s vollen Namen.
Damit finde ich im Netz eine Todesanzeige vom 1. April 2021, aufgegeben von der Berlinischen Galerie. Dort frage ich nach, und bekomme die Auskunft, das es sich tatsächlich bei H.A. um einen langjährigen Mitarbeiter handelte. Die Platten sind also bei der Wohnungsauflösung aus seinem Nachlass zum Flohmarkt gekommen. Ich bin froh, dass ich sie gefunden habe und dass ich diese kleine Sammlung als eine Art von Art Brut, also Aussenseiterkunst, für die Nachwelt konservieren kann.